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Im Rahmen des 36. Bodenseefestivals waren vom 27. April bis 20. Mai in 22 Orten der gesamten Bodenseeregion rund 60 Veranstaltungen zum Thema „vielstimmig | einstimmig“ zu erleben. Als Artist in Residence kam die virtuose Violinistin Chouchane Siranossian in die Bodenseeregion, Ensemble in Residence war das grammynominierte Londoner Vokalensemble VOCES8.
Passend zum Thema „vielstimmig | einstimmig“ setzte das Festival 2024 einen vokalen Schwerpunkt. Vor dem Hintergrund einer zunehmend als komplex und unsicher empfundenen Welt, in der es paradoxerweise oft genauso schwer scheint, Vielstimmigkeit zuzulassen, wie Einstimmigkeit zu finden, öffnete das Festival den Spannungsbogen zwischen polyphon und unisono, zwischen „a cappella“ und instrumentaler Stimme, zwischen sprachlichem Ausdruck und melodischem Klang. Kreativ umgesetzt wurde dies von regionalen und internationalen Künstler:innen, insbesondere vom Ensemble in Residence, dem britischen A-Cappella-Oktett VOCES8 sowie von der französisch-schweizerischen Violinistin Chouchane Siranossian als Artist in Residence, die bei insgesamt 13 Konzerten in wechselnden Formationen das Festivalthema auf vielfältige Weise kreativ interpretierten und das Festivalpublikum aus nah und fern begeisterten.
Neben den ausverkauften Veranstaltungen mit dem Ensemble in Residence VOCES8 waren über 20 weitere Veranstaltungen zu erleben, in denen die menschliche Stimme quasi die erste Geige spielte.
Camille Bertault und David Helbock präsentierten sich mit atemberaubender Gesangs- und Spieltechnik in Lindau als vielseitiges und opulentes Jazz-Duo. Die international gefeierte Sängerin Christiane Karg war im Rahmen eines Liederabends zusammen mit der belgischen Harfenistin Anneleen Lenaerts, Soloharfenistin der Wiener Philharmoniker, in Friedrichshafen zu erleben. In der imposanten St. Galler Stiftsbibliothek, Teil des seit 1983 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Stiftsbezirks St. Gallen, präsentierte das Ensemble Ordo Virtutum unter der Leitung von Stefan Johannes Morent ein Konzertprogramm, das die Entwicklung vom einstimmigen zum mehrstimmigen Choral nachzeichnete. Die in Tettnang geborene Mezzosopranistin Maria Hegele brachte in ihrem Heimatort gemeinsam mit Matthias Winckhler und Christoph Berner stimmgewaltig den Liederabend „the way we go“ auf die Bühne. Einen besonderen Ausflug in die Vokalmusik unternahmen Studierende der Stella Vorarlberg Privathochschule für Musik auf Schloss Achberg und begegneten dabei ebenso dem polyphonen Jodler wie dem einstimmigen Juchzer. Die renommierte Barock-Sopranistin Dorothee Mields brachte zusammen mit dem Salagon Quartett geistliche Musik in die Klosterkirche Münsterlingen zum Klingen und die norwegische Sängerin, Dirigentin und Schauspielerin Tora Augestad präsentierte gemeinsam mit der lautten compagney BERLIN in Weingarten ein Programm von Barock bis Swing. Mit Spark kehrte das Ensemble in Residence von 2022 an den Bodensee zurück – die klassische Band widmete sich in Allensbach gemeinsam mit der irischen Singer-Songwriterin Wallis Bird weiblicher Klangkunst aus einem Jahrtausend Musikgeschichte. Besonders vielstimmig wurde es mit dem Jazzchor Freiburg in Friedrichshafen und mit dem PopChor Konstanz in Radolfzell.
Auch im Kontext der Literatur war die menschliche Stimme im Festival zu erleben. So las Monika Helfer in der Villa Lindenhof im Rahmen von „Bagage“ aus drei ihrer Werke und brachte dem interessierten Publikum weitere Perspektiven der Vielstimmigkeit nahe. Diese waren auch auf dem stimmungsvollen „Literaturschiff“ zu erleben, als die Autor:innen Jana Revedin, Claudia Schumacher und Peter Stamm aus ihren neusten Werken lasen.
Die musikalische Stimme war darüber hinaus auf vielfache Weise zu hören: Klanggewaltige Orchesterkonzerte wie das der von Gabriel Venzago geleiteten Südwestdeutschen Philharmonie mit dem Pianisten Frank Dupree und seinem Trio oder das des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie (Leitung Benjamin Shwartz) zusammen mit der Trompeterin Selina Ott zählten ebenso dazu wie Kammermusikalisches. So waren neben verschiedenen Veranstaltungen von Chouchane Siranossian unter anderem Jan Ostrý und Lukáš Klánský im Rahmen einer Matinee auf Flöte und Klavier zu hören und Studierende der Stella Vorarlberg präsentierten Werke von Clara & Robert Schumann. Jazzige Klänge wiederum brachte Samuel Blaser gemeinsam mit Vincent Courtois und Bruno Chevillon nach Romanshorn und das Gershwin Piano Quartet nach Kreuzlingen.
Freunde des Tanzes konnten sich bei „Only Bach! – Past, Present & Future“ des Ballett X Schwerin unter der Leitung von Xenia Wiest und Jonathan dos Santos ganz dem Oeuvre Bachs hingeben. Das Theater Konstanz verhandelte im Rahmen der Uraufführung „Unter anderen Umständen“ gesellschaftlich herausfordernde Themen.
Chouchane Siranossian eröffnete gemeinsam mit dem Bruckner Orchester Linz unter der Leitung des Chefdirigenten Markus Poschner am 27. April im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen das 36. Bodenseefestival. Zum Auftakt spielten sie gemeinsam Mendelssohn-Bartholdys Konzert für Violine und Orchester in e-Moll (op. 64.) in der ersten Fassung, was das Konzertpublikum im Anschluss mit tosendem Applaus bedachte.
Insgesamt sieben Konzerte und eine Masterclass gab Chouchane Siranossian im Rahmen ihrer Residenz beim Bodenseefestival 2024. Dabei konnte sie ihre virtuose Spielweise sowohl auf der Barockgeige wie auch auf der klassischen Geige eindrucksvoll unter Beweis stellen. Neben den beiden großen Orchesterkonzerten in Friedrichshafen und Dornbirn war Chouchane Siranossian mit wechselnden künstlerischen Partner:innen rund um den Bodensee zu erleben – mit dem Pianisten Benjamin Engeli in Meersburg, ihrem armenischen Ensemble und einer Tänzerin in Ravensburg sowie bei zwei Solo-Rezitalen in Münsterlingen und Weingarten.
Jedes Konzert von Chouchane Siranossian begeisterte auf seine eigene Weise das Publikum und bildete einen Teil der außergewöhnlichen Künstlerresidenz, die ihren abschließenden Höhepunkt im gemeinsamen Konzert mit ihrer Schwester, der Cellistin Astrig Siranossian, in Schloss Achberg fand.
Mit insgesamt sechs Konzerten und mehreren Workshops präsentierte sich das diesjährige Ensemble in Residence beim Bodenseefestival 2024. Dabei legten die acht Musiker:innen aus Großbritannien und den USA eindrucksvoll dar, weshalb sie 2023 für einen der begehrten Grammys nominiert wurden.
Den Auftakt der restlos ausverkauften Residenz bildete das Konzert in Überlingen. Bei „Love Endureth“ stellte das Ensemble Vertonungen gleicher Texte aus unterschiedlichen Epochen gegenüber und zeichnete so ein spannendes Bild der Musikgeschichte. Mit „Stardust“ in Ravensburg feierte VOCES8 die natürliche und spirituelle Wiedergeburt mit Jazz-Standardarrangements sowie Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart. „London by Night“ rückte dann an zwei Abenden in Radolfzell und Schloss Achberg die Heimatstadt des Ensembles in den Fokus und sorgte für Begeisterung beim Publikum. In Münsterlingen stand „After Silence“ auf dem Programm – die an diesem Abend gesungenen Chorwerke zeichnen sich durch ihre unerschöpfliche Fähigkeit aus, das Unaussprechliche auszudrücken. Beim Konzert in Friedrichshafen bekam VOCES8 Unterstützung durch den Organisten Nikolai Geršak. Gemeinsam präsentierten sie das Programm „Underneath the Stars“ und fügten dabei ihren acht Stimmen das denkbar vielstimmigste und klangreichste Instrument hinzu – die Orgel.
Ein wichtiger Bestandteil des Bodenseefestivals ist der persönliche Austausch von Artist in Residence und Ensemble in Residence mit der Bevölkerung der Region, insbesondere Kindern und Jugendlichen – gelebte musikalische Bildung, die Hemmungen abbauen und Verbindungen schaffen kann. Im Rahmen des diesjährigen Festivals konnten so wieder mehrere Workshops an Schulen in Konstanz und Stockach, mit verschiedenen Chören aus der Region sowie eine Masterclass für Studierende der Stella Vorarlberg in Feldkirch realisiert werden. Dies war eine bereichernde und gleichermaßen menschlich wie musikalisch nahebringende Erfahrung – sowohl für die teilnehmenden Kinder, Jugendlichen und deren Lehrer:innen und Professor:innen, als auch für Chouchane Siranossian und VOCES8 selbst.
Ein abwechslungsreiches Programm für Kinder und Familien war auch 2024 fester Bestandteil des Festivals. So sangen bei der Erstaufführung des Kinofilmes „Unsere Herzen – Ein Klang“ im Rahmen des Festivals Schüler:innen des Karl-Maybach-Gymnasiums. Bei der „SingSation“ auf dem Ravensburger Marienplatz wiederum, durften alle Besucher:innen des Wochenmarkts, die Lust dazu hatten, spontan mitsingen. „Aufregung in Venedig“ nahm die Kinder im Innenhof des Tettnanger Schlosses mit auf ein Abenteuer durch die Lagunenstadt der italienischen Adria, musikalisch unterstützt durch die Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben. Ein ganzes Stück weiter ging es bei „Die Planeten“ in Friedrichshafen. Der Komponist Gustav Holst hatte sich einst gefragt, wie unser Sonnensystem eigentlich klingt und komponierte deshalb ein klanggewaltiges Werk für Jung und Alt.
Den Abschluss des 36. Bodenseefestivals bildete traditionell das Picknickkonzert: Bei bestem Wetter und sommerlichen Temperaturen verwandelte sich der Park von Schloss Salem in eine große Bühne. Mit dabei: das Sonus Brass Ensemble aus Vorarlberg und drei Ensembles der Stella Vorarlberg. Straßenkünstler:innen und Riesenseifenblasen zauberten gleichermaßen Groß und Klein ein Lächeln ins Gesicht, während die zahlreich erschienenen Besucher:innen beim Picknick auf dem Rasen das zurückliegende Festival Revue passieren lassen konnten.
Fünf ausgewählte Konzerte des 36. Bodenseefestivals wurden aufgezeichnet und konnten im Programm von SWR Kultur akustisch nacherlebt werden. Im Rahmen der Mittags- und Abendkonzerte war so unter anderem das Eröffnungskonzert mit Artist in Residence Chouchane Siranossian vom 27.04.2024 in Friedrichshafen zu hören.
Unsere Intendantin Alexandra Gruber möchte sich bei allen bedanken, die zum Gelingen des 36. Bodenseefestivals beigetragen haben – bei unseren Gesellschaftern, Mitveranstaltern, Förderern, allen teilnehmenden Künstler:innen – insbesondere bei Chouchane Siranossian und VOCES8 – und natürlich bei unserem treuen Publikum, ohne das unser Festival nicht denkbar wäre.
Zum Schmökern und für den Download finden Sie hier die Festivalbroschüre und den Programmflyer des 36. Bodenseefestivals 2024: